Dienstag, 15. September 2015

Zurück aus dem Urlaub, Teil 3


Wenn ich noch 100 Tage zu leben hätte - würde ich noch mal 
hier hin fliegen.

Also mal angenommen, wir kommen aus dem Urlaub zurück und stellen fest: Mist, diese Arbeit geht gar nicht mehr. Ich kommen morgens nicht aus dem Bett, ich will abends nicht rein, ich schaffe es nicht, mich hier zu konzentrieren, die KollegInnen lösen Herzklopfen (kein gutes!) oder Gähnattacken aus, wenn ich nur ihre Stimmen höre oder ihre E - Mail - Adresse in meinem Dienstmail - Fenster aufploppen sehe; meist bin ich auf Facebook oder WhatsApp unterwegs während meiner Arbeitszeit und spätestens um 10:00 schaue ich auf die Uhr: Wie langeeee noooooch? (Tonfall: Meine Kinder, die seit gefühlten 10 Stunden im Auto im Stau sitzen.)

Und jetzt? Noch 10, 15, 25 Jahre?

Was rät ein Coach, zu dem ich mit diesen "Beschwerden" in die Beratung komme? 

Letzte Woche gab ich einen Workshop zum Thema "Klare Kommunikation in Konflikten - für Ehrenamtliche und Selbsthilfegruppenmitglieder" beim Paritätischen in Paderborn. Die Selbsthilfegruppenmitglieder beeindrucken mich jedes Mal aufs Neue. Häufig "leiden" (bzw. weigern sich, darunter zu leiden) sie unter schweren, manchmal lebensbedrohenden Krankheiten. Und meistens gehts bei diesen Abenden lustig zu, ein Teilnehmer, der dieses Jahr schon zweimal reanimiert werden musste, tut sich besonders durch Heiterkeit und Geduld hervor, eine Teilnehmerin, die schwer herzkrank ist, plant ununterbrochen neue "Events" für ihre Gruppe. Als ob es kein Morgen gäbe, bzw. als ob es unwichtig sei, dass morgen der Körper nicht mehr wollen könnte oder die Seele einen Rück - Schlag bekommt. 

Ach, so, sagt mein Klient mit den multiplen Arbeits - Unlustbeschwerden, ich soll also fröhlich sein, TROTZALLEDEM? Bäh, da hab ich keine Lust zu, nein, das KANN ich noch nicht mal.

Ohje, ein Missverständnis (vielleicht... vielleicht auch absichtlich?)!

Meine Frage an Dich, lieber Klient, ist: Wenn DU Dir Deine Endlichkeit vor Augen führst, was wäre Dein nächster Schritt in Sachen Job? Und weil das viel zu abstrakt ist: wenn man Dir morgen sagen würde, Dein Leben wäre noch 100 Tage so zu leben, wie Du es bisher tust, weitgehend beschwerdefrei und danach würdest Du krank, krank mit sicherem letalem Ausgang - was würdest Du ab sofort tun? Oder nicht mehr tun? 

Man nennt das Reframing - und bei diesem Reframing geht es um nichts andres als um Euer Glück. Denn die Frage nach der "Bucket List" (Film mit Morgan Freeman und Jack Nickolson, auf Deutsch: Das Beste kommt zum Schluss) ist die Frage nach den Dingen, die Dich wirklich glücklich machen.

Ja, toll, sagt der Klient, dann würde ich kündigen, die restliche Kohle auf den Kopf hauen und vom letzten Geld würde ich mir ne Knarre kaufen, mit der ich mich nach 100 Tagen selbst aus dem Elend befreien würde.

Ja, genau, sage ich, und was sagt das über Deine wirklichen Wünsche, lieber Klient? Wofür würdest Du die restliche Kohle denn ausgeben? Würdest Du mit Deiner Familie eine Weltreise machen? Und warum tust Du das nicht jetzt? Und warum würdest Du dann kündigen, meinst aber jetzt, die Arbeit, die Dich fertig macht, bis zum "Bitteren Ende" durchhalten zu müssen? Also, nur weiter mit den Gedankenspielen, bis wir heraus gefunden haben, wie Deine Arbeit, wie Dein Leben beschaffen sein müssten, damit Du am Ende Deines Lebens auch ein Leben gehabt hast...


Auf meiner Bucket - List: Lissabon - und auf Eurer?

Ach, und dass Du Dir die Kugel geben würdest, damit Du nicht mehr leiden musst als nötig - was genau heißt das? Dass Dein Leben nur gesund lebenswert ist? Was tust Du denn gerade für Deine Gesundheit, lieber Klient`mit der locker sitzenden 38er? Und wärst Du bereit, für den Fall, dass Du doch noch mal ne Chance bekommst, einmal in der Woche Sport zu machen/auf Fleisch zu verzichten/ keinen Alkohol zu trinken? 

Ach, so... hm. Da muss ich drüber nachdenken! 

Und das ist auch gut so!

Montag, 7. September 2015

Will ich wirklich meinen Traum leben???

Ich studiere gerade Fortbildungen für mich. Jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst, wenn auch ich wieder Seminare anbiete, habe ich Lust darauf, mich dabei von neuen Ideen und Werkzeugen aus Fortbildungen begleiten zu lassen. Momentan überlege ich, da ich im nächsten Frühjahr das erste Mal selber ein Wochenende im Frauenbildungshaus Zülpich anbieten werde, dort etwas zu machen. Mir fällt ein Titel ins Auge: "Lebe Deinen Traum - Zukunftswerkstatt". Findet statt im November.

Ich merke, wie sich alles in mir sträubt: Nein, ich will meinen Traum nicht leben, ich will nicht immer alles, was ich träume verwirklichen, nein, ich will nicht auch noch im Traumland die Leistungslatte anlegen!!!! 

DAS ist jetzt aber so gar nicht NLP, stimmts? Im NLP geht es zum größten Teil genau darum, es gibt sogar Formate wie das Disney - Format, das explizit dazu gemacht ist, den kreativen, den realistischen und den kritischen Teil im Klienten so miteinander zu versöhnen, dass bestmögliche Ergebnisse erreicht - und Träume wahr werden. 

Wie viele Ratgeber mag es dazu geben? 1.000.000.000 sicherlich...

Und immer sollen wir lernen, unsere Träume in wirtschaftlich sinnvolle oder zumindest irgendwie anders erfolgreiche Wirklichkeit umzusetzen. So dass die schöner, reicher (schneller, höher, weiter) sein wird als bisher.

Und wir natürlich glücklicher.

Ich erinnere mich: einer meiner Träume war dieser Spielwareneinzelhandel in Höxter - vor allem sehr viel Arbeit, sehr wenig Geld und sehr großer Schmerz bei der Aufgabe desselben waren das Ergebnis seiner Verwirklichung. In den viereinhalb Jahren, die ich den Laden besaß, hatte ich, keine Frage, auch oft Momente reiner Freude - die aber in keiner Weise zum Erfolg beitrugen(so wie es der "Ratgeber" ja immer suggeriert: wenn es Freude macht, wenn es ein Traum ist, dann ist es auch erfolgreich...).

Dann hatte ich mal den Traum, alle Erdteile zu bereisen - nachdem ich in Nepal, Brasilien und Australien war, merkte ich: viel lieber als nach Afrika, reise ich noch mal nach Nepal, von dem ich ständig "träumte". Ist der erste Traum deswegen gescheitert?

Wohingegen meine jetzige Tätigkeit... niemals ein Traum war. Es macht sehr viel Freude, Menschen im Coaching zu begleiten, oft ist es auch lustig und anregend, Kommunikationstrainings zu geben, oder NLP - Seminare. Aber traumhaft? Nee! Deshalb kann ich auch gut loslassen, wenn es gerade mal nicht so gut läuft und Briefe austragen (letztes Jahr im Winter) oder Berliner auf dem Weihnachtsmarkt verkaufen (im Winter 2006). Es ist realistisch, das zu tun und Loslassen auf dem Schirm zu haben, wenn frau in Bad Karlshafen lebt.

Und wovon träume ich? Nix mit Leistung: ich träume von Italien und einem langen, langen Urlaub. Ich träume davon, für viel Besuch sehr lecker zu kochen. Ich träume davon, meiner Enkelin die Kräuter, die ich kenne, zu zeigen und mit ihr zu sammeln - und dabei sehe ich uns keineswegs in realen Farben sondern mich als in bunte Fetzen gehüllte schräge Alte und Emilia im Robin - Hood - Kostüm. 

Ich träume übrigens auch durchaus, wie die Mädels bei der Miss Universe Wahl vom Weltfrieden. Aber das kann ich sicher auch in diesem Seminar und in keinem Ratgeber lernen, wie ich den ganz alleine herstellen kann.




Nächstes Mal bleibe ich einfach drei Monate!!!

Was will ich nun damit sagen? 

Ich glaube, ich habe keine Lust mehr, meine Träume der Erfolgskontrolle zu unterwerfen. Und der Leistungskontrolle. Sprich: ich mag Träume, die verwirklicht oder nicht, ihren zauberischen Charakter beibehalten. Ihr Vages, Ihr an den Rändern im Dunkeln Verschwimmendes. Sie dürfen rosig sein oder bedrohlich, meine Träume - das Wichtigste ist, dass sie nicht gescheitert sind, wenn ich sie nicht verwirkliche. Ich bin nicht Steve Jobs und wollte es nie sein.

Aber gerne verwirkliche ich bis zur Rente noch ein paar gute Ideen und realistische Hoffnungen! 



Dienstag, 1. September 2015

Coaching - und dafür soll ich Geld ausgeben?

Sabine Asgodom, eine der bekanntesten Coaches und Trainerinnen Deutschlands zitiert in Ihrem tollen Buch "So coache ich" in der Einleitung den Diplompsychologen Siegfried Brockert mit den Worten: "Was die Therapie im 20. Jahrhundert war, wird das Coaching im 21. Jahrhundert werden." 

Meine persönliche Erfahrung zeigt: da ist was dran! 

Vor langen Jahren - es war noch im 20. Jahrhundert - war ich bei einer exzellenten Verhaltenstherapeutin. Ich hatte Angstgefühle, wenn ich bei meiner (damals noch angestellten) Arbeit war, ich wusste im wahrsten Sinn des Wortes nicht mehr, wer ich war (man nennt das, das weiß ich jetzt, Depersonalisierungsstörung).
In der Therapie ging es in 25 Sitzungen darum, die Ursachen des Problems zu finden, meine Kindheit und Jugend noch einmal zu beleuchten usw.
Daran hat mir besonders gut getan, dass mir jemand zuhörte und das Gefühl gab, wichtig und wertvoll genug zu sein.
Die zwei Sitzungen, die mir halfen, mein Leben zu ändern, waren die, in denen es darum ging: 1. Wann und wie kann ich kündigen? 2. Wann und wie kann ich mich selbständig machen?  Danach waren die "Störungen" beseitigt, bzw. die Ängste integriert und ich hatte wieder das Gefühl, die zu sein, die eine Idee und einen Plan für ihr Leben hat.
Das ist es, was Coaching für uns tut: "Es ist die moderne Methode, Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigenen (Hervorhebung von mir) Kräfte zu aktivieren, um sich selbst zu helfen und auf ganz eigene Lösungen zu kommen." (Sabine Asgodom, So coache ich, Kösel Verlag, S. 7)
Die Wertschätzung, die mir so geholfen hatte in der Therapie, liegt schon im Coaching - Ansatz: der Coach weiß, dass der Klient seine Lösung und alle Ressourcen zur Verwirklichung derselben in sich trägt. Der Coach - wenn er oder sie denn ein guter Coach ist - bewundert die natürliche Intelligenz, die in jedem Problem liegt und die den Klienten, die Klientin dazu bewegt, ganz eigene kreative Entwicklungsschritte zu gehen. 
Das ist meine Definition von Wertschätzung.
So habe ich es auch heute wieder bei meiner Klientin erlebt: Ich war nur die Stichwortgeberin, diejenige, die die guten Fragen stellt. Alle Lösungen purzelten aus ihr heraus und ich stand am Flipchart und kam kaum mir der Visualisierung hinterher!!!
Dann ergibt sich natürlich die Frage, die ich im Titel stelle:

Und dafür soll irgendjemand Geld ausgeben?

Noch mal zurück zur Therapie: meine 25 Sitzungen damals kosteten die Solidargemeinschaft viel Geld. Denn sie wurden von der Krankenkasse bezahlt, nachdem meine Therapeutin mir eine "behandlungswürdige" Diagnose verpasst hatte: Panikattacken!


Panikattacken...!

Göttin - sei - Dank mache ich mir nix aus Etiketten - ich kenne allerdings Menschen, die durch ihre - von der Krankenkasse geforderte - Diagnose erst "richtig" krank wurden. Kann nicht sein? Oh, doch, kann, ich erlebte es kürzlich erst selbst, als mein Knie "in der Röhre" war und die Diagnose: "schwere Arthrose" im darauf folgenden Bericht stand. Eigentlich... war ich wegen meines Rückens beim Arzt und erwähnte gelegentliche Schmerzen im Knie nur am Rande, die standen dann aber auf dem Zettel für die "Röhre" - und wurden nach der Diagnose prompt so stark, dass ich eine Woche lang Schmerztabletten nehmen "musste". (Das Ganze ist bekannt unter dem schönen Namen "Nocebo - Effekt") 

Tja, und dann war da noch die Dauer (mal abgesehen von der Klimaschädigung... jedes Mal 100 km Fahrt mit dem Auto ist CO2 neutral nicht zu haben) der Therapie. Ja, es war schön, dass mir 25 Sitzungen (= 1 Jahr) zugehört wurde. Mittlerweile denke ich: Ich wäre auch glücklich gewesen, nach 5 Sitzungen die Anerkennung für meine Problemlösungstrategien zu erfahren, die ich damals in der 24. und 25. Sitzung fand.

In einem Coaching hätte ich (nach heutigen Tarifen) vielleicht 6 Sitzungen gebraucht und dafür 300 - 500 Euro auf den Tisch gelegt. Und die Gesellschaft hätte von den positiven Effekten profitiert und keinen Cent dazu legen müssen.

Und möglicherweise hätte ich noch Instrumente und Werkzeuge mitgenommen, die ein zukünftiges Selbstcoaching möglich gemacht hätten, mich also zu mehr Eigenverantwortung und Selbständigkeit gebracht hätten.

Scheint doch sinnvoll, fürs Coaching zu bezahlen, oder was meint Ihr?

PS: Um evtl. Einwänden zu begegnen: natürlich bin ich dafür, dass bei schwerwiegenden Krankheiten (Depression, Trauma, Borderline etc. pp.) auch heute Therapie gegeben wird und natürlich bin ich dafür, dass die Solidargemeinschaft dieses trägt, weil es jede/n von uns treffen kann! 
Mir geht es um Selbstermächtigung in Problemsituationen und dass ich für diese auch selber zahle - und zwar wesentlich weniger als für eine Therapie gezahlt wird. Und mir geht es auch darum, dass Ursachenforschung in der Kindheit - wie in vielen Therapien - nicht immer nötig ist.