Dienstag, 1. September 2015

Coaching - und dafür soll ich Geld ausgeben?

Sabine Asgodom, eine der bekanntesten Coaches und Trainerinnen Deutschlands zitiert in Ihrem tollen Buch "So coache ich" in der Einleitung den Diplompsychologen Siegfried Brockert mit den Worten: "Was die Therapie im 20. Jahrhundert war, wird das Coaching im 21. Jahrhundert werden." 

Meine persönliche Erfahrung zeigt: da ist was dran! 

Vor langen Jahren - es war noch im 20. Jahrhundert - war ich bei einer exzellenten Verhaltenstherapeutin. Ich hatte Angstgefühle, wenn ich bei meiner (damals noch angestellten) Arbeit war, ich wusste im wahrsten Sinn des Wortes nicht mehr, wer ich war (man nennt das, das weiß ich jetzt, Depersonalisierungsstörung).
In der Therapie ging es in 25 Sitzungen darum, die Ursachen des Problems zu finden, meine Kindheit und Jugend noch einmal zu beleuchten usw.
Daran hat mir besonders gut getan, dass mir jemand zuhörte und das Gefühl gab, wichtig und wertvoll genug zu sein.
Die zwei Sitzungen, die mir halfen, mein Leben zu ändern, waren die, in denen es darum ging: 1. Wann und wie kann ich kündigen? 2. Wann und wie kann ich mich selbständig machen?  Danach waren die "Störungen" beseitigt, bzw. die Ängste integriert und ich hatte wieder das Gefühl, die zu sein, die eine Idee und einen Plan für ihr Leben hat.
Das ist es, was Coaching für uns tut: "Es ist die moderne Methode, Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigenen (Hervorhebung von mir) Kräfte zu aktivieren, um sich selbst zu helfen und auf ganz eigene Lösungen zu kommen." (Sabine Asgodom, So coache ich, Kösel Verlag, S. 7)
Die Wertschätzung, die mir so geholfen hatte in der Therapie, liegt schon im Coaching - Ansatz: der Coach weiß, dass der Klient seine Lösung und alle Ressourcen zur Verwirklichung derselben in sich trägt. Der Coach - wenn er oder sie denn ein guter Coach ist - bewundert die natürliche Intelligenz, die in jedem Problem liegt und die den Klienten, die Klientin dazu bewegt, ganz eigene kreative Entwicklungsschritte zu gehen. 
Das ist meine Definition von Wertschätzung.
So habe ich es auch heute wieder bei meiner Klientin erlebt: Ich war nur die Stichwortgeberin, diejenige, die die guten Fragen stellt. Alle Lösungen purzelten aus ihr heraus und ich stand am Flipchart und kam kaum mir der Visualisierung hinterher!!!
Dann ergibt sich natürlich die Frage, die ich im Titel stelle:

Und dafür soll irgendjemand Geld ausgeben?

Noch mal zurück zur Therapie: meine 25 Sitzungen damals kosteten die Solidargemeinschaft viel Geld. Denn sie wurden von der Krankenkasse bezahlt, nachdem meine Therapeutin mir eine "behandlungswürdige" Diagnose verpasst hatte: Panikattacken!


Panikattacken...!

Göttin - sei - Dank mache ich mir nix aus Etiketten - ich kenne allerdings Menschen, die durch ihre - von der Krankenkasse geforderte - Diagnose erst "richtig" krank wurden. Kann nicht sein? Oh, doch, kann, ich erlebte es kürzlich erst selbst, als mein Knie "in der Röhre" war und die Diagnose: "schwere Arthrose" im darauf folgenden Bericht stand. Eigentlich... war ich wegen meines Rückens beim Arzt und erwähnte gelegentliche Schmerzen im Knie nur am Rande, die standen dann aber auf dem Zettel für die "Röhre" - und wurden nach der Diagnose prompt so stark, dass ich eine Woche lang Schmerztabletten nehmen "musste". (Das Ganze ist bekannt unter dem schönen Namen "Nocebo - Effekt") 

Tja, und dann war da noch die Dauer (mal abgesehen von der Klimaschädigung... jedes Mal 100 km Fahrt mit dem Auto ist CO2 neutral nicht zu haben) der Therapie. Ja, es war schön, dass mir 25 Sitzungen (= 1 Jahr) zugehört wurde. Mittlerweile denke ich: Ich wäre auch glücklich gewesen, nach 5 Sitzungen die Anerkennung für meine Problemlösungstrategien zu erfahren, die ich damals in der 24. und 25. Sitzung fand.

In einem Coaching hätte ich (nach heutigen Tarifen) vielleicht 6 Sitzungen gebraucht und dafür 300 - 500 Euro auf den Tisch gelegt. Und die Gesellschaft hätte von den positiven Effekten profitiert und keinen Cent dazu legen müssen.

Und möglicherweise hätte ich noch Instrumente und Werkzeuge mitgenommen, die ein zukünftiges Selbstcoaching möglich gemacht hätten, mich also zu mehr Eigenverantwortung und Selbständigkeit gebracht hätten.

Scheint doch sinnvoll, fürs Coaching zu bezahlen, oder was meint Ihr?

PS: Um evtl. Einwänden zu begegnen: natürlich bin ich dafür, dass bei schwerwiegenden Krankheiten (Depression, Trauma, Borderline etc. pp.) auch heute Therapie gegeben wird und natürlich bin ich dafür, dass die Solidargemeinschaft dieses trägt, weil es jede/n von uns treffen kann! 
Mir geht es um Selbstermächtigung in Problemsituationen und dass ich für diese auch selber zahle - und zwar wesentlich weniger als für eine Therapie gezahlt wird. Und mir geht es auch darum, dass Ursachenforschung in der Kindheit - wie in vielen Therapien - nicht immer nötig ist.

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